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Der Poppele
Gesicherte historische Erkenntnisse sind nicht möglich, weil es keinerlei schriftlichen Dokumente aus jener Zeit gibt, in denen ein Popolius Maier erwähnt ist. Der Hauptzeuge, dass es diesen Popolius wirklich gegeben hat, ist das Poppelebild, das heute im Schloss von Schlatt u. Kr. hängt. Dieses Bild ist eine im Jahre 1665 angefertigte Kopie eines Bildes, das seinerseits im Jahre 1430 gemalt ist. Die Form des Helmes, den Popolius auf dem Bild trägt, entwickelte sich historisch gesehen um die Mitte des 14. Jahrhunderts und hielt sich bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts. Unser Burgvogt ist also, wenn man von diesem Bild ausgeht, in den Anfang des 15. Jahrhunderts zu datieren, in die Zeit des vollen wirtschaftlichen Niederganges des Friedinger Geschlechts auf Hohenkrähen.
Die Namensbeisetzungen Maier und Burgvogt weisen auf die zwei Ämter hin, die der Popolius zu verwalten hatte. Die Lehensträger einer Burg und der dazugehörenden Höfe und Dörfer waren infolge ihrer vielfältigen Verpflichtungen dem Lehensherrn gegenüber zumeist vom Herrschaftssitz abwesend. Um die Burg aber jederzeit verteidigungsbereit zu halten, übergaben die Lehensträger diese Aufgabe einem bewährten, waffenkundigen Stellvertreter, eben dem Burgvogt. Wenn dieser Burgvogt zugleich mitbeauftragt war, auch den zur Burg gehörenden Maierhof zu verwalten, die Gefälle einzutreiben und die Aufbietung der Frondienste zu leiten, dann war er Burgvogt und Maier zugleich. Eine große Macht war ihm in die Hand gegeben, und nicht selten, das beweisen historisch belegte Vorfälle, stieg diese dem Amtsträger in den Kopf.
Auch unser Popolius muss sich entsprechend verhalten haben, so dass noch lange nach seinem Tode die Menschen sich von ihm die Geschichten erzählten, die wir heute als die Sagen vom Poppele kennen. Texte aus: Der Poppele vom Hohenkrähen. Sämtliche Sagen, neu gestaltet und mit einer Einleitung versehen von Max Rieple." In: Fasnet im Hegau. Hrsg. von Herbert Berner. Verein für Geschichte des Hegaus e.V. Singen (Htwl.) 1959, S. 83ff.
Quelle: www.poppele.de
Der Poppele und das Eierwieb
Drückende Hitze brütete über dem Hegau, als die Eierfrau von Rielasingen mit der schweren Krätze auf dem Rücken nach Engen zum Markt wanderte.
Die war nicht gerade die Jüngste mehr, und [Poppele und Eierwieb] wenn man selber fast zwei Zentner wiegt, dann drückt solch ein Korb, der bis oben hin mit Eiern vollgepackt ist, doppelt schwer. So war die Frau froh, als sie am Fuße des Hohenkrähen einen Baumstumpf am Wegrand erblickte, der im Schatten eines Felsens dastand, als habe er nur auf sie gewartet. Sie würde schon noch recht auf den Markt kommen, sagte sich die Alte. Und während sie erwog, wie viel sie wohl für die Eier lösen würde, ließ sie sich, ohne den Korb abzusetzen, keuchend und den Schweiß von der Stirn wischend auf dem Baumstumpf nieder.
Aber was war das? Kaum hatte sie sich hingesetzt, schien es, als zöge ihr jemand den bequemen Sitz einfach unter dem wohlgepolsterten Hinterteil weg. Und schon lag sie im Gras und streckte die rotbestrümpften Beine gen Himmel. Mochte der Rücken von dem unsanften Sturz auch schmerzen, viel schlimmer war, dass die Eier aus der Krätze herausgekullert waren und weitverstreut herumlagen.
Die schönen Eier! entfuhr es der Bäuerin, als sie daran dachte, dass der ganze erhoffte Gewinn dahin war und sie zum Schaden schließlich noch den Spott haben sollte, wenn ihr Missgeschick bekannt wurde. Vorsichtig hob sie eines der Eier auf und staunte nicht wenig, dass es nicht den kleinsten Sprung hatte. Hastig griff sie nach dem nächsten; auch dieses war unversehrt. Während sie Ei um Ei einsammelte und es nicht fassen konnte, dass eines so unbeschädigt wie das andere war, hörte sie plötzlich im nahen Gebüsch ein leises Kichern.
Jetzt wusste sie auf einmal, dass der Poppele, der nicht schaden, sondern nur necken wollte, sich in den Baumstumpf verwandelt und sie so zum Besten gehalten hatte.
Warum Popolius als Geist umgehen muss?
Der Vogt auf Krähen, Popolius Mayer, war klepperdürr wie ein Rebstecken und ein böser Raufbold und Leuteschinder obendrein. Wehe dem, der mit ihm anbandelte; er wurde kurzerhand aus dem Wege geschafft oder musste jahrelang in den düsteren Kerkern der Burg schmachten. So klang immerfort Jammern und Wehklagen durch die Verließe, deren meterdicke Mauern keinen Laut nach außen dringen ließen. Und doch wusste man im ganzen Land von den Greueltaten des Burgvogts. Kein Wunder, dass sich eines Tages der Abt eines schwäbischen Klosters aufmachte, um da oben auf der Burg nach dem Rechten zu sehen. Nur widerwillig ließ Popolius den unerwünschten Gast ein. Als dieser den Burgvogt wegen seiner Untaten zur Rede stellte, lud dieser ihn mit bösen Lächeln ein, die Verließe doch selber zu besichtigen und zu schauen, ob es da unten wirklich so schrecklich sei. Nur mit Mühe und Not konnte der wohlbeleibte Abt die steile Felsentreppe hinuntersteigen. Als er schwer atmend beim untersten Kerkerloch angekommen war, schob ihn der Burgvogt kurzerhand in das modrige Dunkel hinein und schlug krachend die eisenbeschlagene Tür hinter ihm zu. Hier sollte der Abt bleiben, bis er bei Wasser und Brot so zusammengeschmolzen wäre, dass man ihn durch ein Nadelöhr ziehen könne. Sieben Jahre und 40 Tage schmachtete er nun, ehe ihn der Vogt wieder frei ließ.
In seinem Kloster angelangt, sann der Abt unermüdlich auf Rache. Endlich entdeckte er in der Bibliothek des Klosters einen längst vergessenen Folianten, ein Zauberbuch, das die wirksamsten Flüche enthielt. Begleitet von geheimnisvollen Zeremonien verfluchte der Ergrimmte also seinen Peiniger: „Wenn deine Burg zerstört ist und von ihr nur noch Ruinen zum Himmel aufragen, sollst du siebenmal 40 Jahre ruhelos zwischen den öden Mauern hausen, rastlos den Hegau durchstreifen und als Kobold die Menschen necken, auf dass sie dir stets aufs neue fluchen!"
Diese Verwünschung war so kräftig, dass der Vogt alsbald vom Pferd stürzte und das Genick brach. Seitdem muss der Poppele sogar noch über die vorbestimmte Zeit hinaus als Geist umgehen.
Der Poppele kegelt
Jeden Sonntag, nachts 12 Uhr, trifft sich der Poppele mit vielen Rittern in einem der unterirdischen Gewölbe der Ruine Hohenkrähen, um dort zu kegeln. Auch während des Sonntagsgottesdienstes will man den Burggeist schon beim Kegelspiel gesehen haben.
So kamen an einem Sonntagmorgen zwei Handwerksburschen auf den Krähen und waren nicht wenig erstaunt, als sie im Burggarten den Poppele sahen, wie er für sich allein immer wieder versuchte, die aufgesetzten Kegel zu treffen. Als der Burggeist die Burschen sah, lud er sie ein, mit ihm ein Spielchen zu machen.
Die beiden ließen sich nicht lange bitten, glaubten sie doch, es ohne weiteres mit einem so schlechten Kegler aufnehmen zu können. Und anfangs gewannen sie denn auch ein paar Gulden, dann aber schob der Poppele ein paar Mal hintereinander alle Neune, so dass den Burschen Hören und Sehen verging und sie im Nu nicht nur ihren Gewinn, sondern obendrein auch das bisschen Reisegeld bis auf den letzten Kreuzer los waren. So zogen sie denn schließlich betrübt von dannen.
Als nach einer kleinen Weile der eine von den beiden in seinem Felleisen nach einem Stock Brot suchte, fühlte er plötzlich eine Kegelkugel zwischen den Fingern. Da hat sich mein Kamerad einen schlechten Scherz erlaubt, dachte er und warf, um nicht zum Schaden auch noch den Spott zu haben, die Kugel heimlich fort. Vor dem Dorfe Mühlhausen nahm auch der andere seinen Ranzen ab und war nicht wenig erstaunt, als er darin zuoberst einen Kegel fand, der ganz aus funkelndem Golde war. Hei, wie die beiden sich über den Fund freuten! Gleich sollte der Kegel zu Geld gemacht werden. Aber niemand im Dorf konnte eine solche Kostbarkeit bezahlen. Endlich ließ sich der reichste Bauer im Ort ein Stück von dem Kegel absägen und legte dafür 2000 Gulden auf den Tisch. Jetzt ging auch dem anderen Gesellen ein Licht auf. Er rannte flugs zurück, um nach der weggeworfenen Kegelkugel zu suchen. Aber sie war spurlos verschwunden. Die Burschen zogen nun weiter nach Schaffhausen, wo man ihnen den Rest des Kegels für ein ganzes Vermögen abkaufte.
Die naschhafte Magd
Der Bastian, ein Bauer am Hohenkrähen, konnte es sich nicht erklären, dass die Bleß, die Kuh, welche sein ganzer Stolz war, immer weniger Milch gab, seitdem die neue Jungmagd ins Haus gekommen war. Das konnte nicht mit rechten Dingen zugehen. Wie verwundert war er aber, als die Magd, die auf dem Hofe wie das eigene Kind gehalten wurde, schon nach vierzehn Tagen den Dienst aufkündigte.
Ob sie es denn nicht gut bei ihnen habe, meinte der Bauer. Doch, doch, stotterte die Magd hervor. Ob ihr denn die Arbeit zu schwer sei, oder ob es gar am Essen läge - auf all diese Fragen wusste die Magd nur zu sagen, daran läge es nicht. Als der Bauer immer mehr in sie drang, würgte sie endlich verlegen hervor: „‘S wär alles schön und recht bei Euch, Bauer, aber dass mir einer, wenn ich Eure Bleß melken tu, allemal pitsch und patsch ein paar saftige Backpfeifen verpasst, mag mir nie und nimmer behagen.
Backpfeifen", meinte der Bauer erstaunt, die kriegt man nit so mir nix dir nix; da hast sicher was Unrechts getan. Und wenn Du den nit g'sehn hast, der Dich schlug, kann's kein anderer als der Poppele gewesen sein."
Schamrot gestand die Magd endlich, sie trinke halt fürs Leben gern frischgemolkene Milch, und da habe sie ab und zu beim Melken ein Schlückle genommen.
Wird schon ein kräftiger Schluck gewesen sein", meinte der Bauer, der daran dachte, dass der Melkeimer seit geraumer Zeit nur noch halb voll war, „sonst hätt' der Poppele dich nit bestraft. Wegen dem brauchst aber den Dienst nit aufzukündigen. Lass das Milchnaschen, und der Poppele lasst Dich in Frieden!"
Und so war's auch. Die Magd, die ihren Durst von jetzt an mit Most löschte, hatte künftig ihre Ruhe.
Poppele und der versiegte Wein
Eine arme Frau aus Schlatt, die ein Kindlein erwartete, war dabei, draußen im Feld für ihre einzige Ziege Futter zu schneiden. Während sie sich stöhnend bückte und ihre Sichel durch das Gras sausen ließ, dachte sie an ihre nahe Niederkunft und wie es ihr wohl dabei erginge; denn sicherlich vertränke ihr Mann noch den letzten Heller, so dass sie sich keine Stärkung gönnen könne. So bat sie inbrünstig, der Poppele möge sich doch ihrer erbarmen und ihr ein Fässlein guten Weines zukommen lassen. Kaum hatte sie den Wunsch geäußert, als ein Jägersmann des Weges kam, welcher der armen Frau auftrug, flugs nach Hause zu gehen und das leere, unter der Stiege liegende Fässlein zu holen. Die Frau tat, wie ihr geheißen. Und siehe da, der Jäger, der kein anderer als der Poppele selber war, füllte das Fässlein mit köstlichem Wein, verbot aber der Frau, ihrem trunksüchtigen Manne auch nur einen Tropfen davon zu geben. Tue sie es trotzdem, sei es mit dem Segen zu Ende.
Freudestrahlend kehrte die Frau nach Hause zurück und tat sich an dem herrlichen Tropfen jeden Tag gütlich. Um auch andere Arme an ihrem Glück teilnehmen zu lassen, ließ sie jeden, der darum bat, reichlich von dem Wein kosten, nur ihren Mann nicht. Als dieser aber erst drohte, und, nachdem dies nicht fruchtete, sich aufs Bitten und Schmeicheln verlegte, wurde sie schließlich weich und meinte: Ein Krüglein dürfe er sich schon holen, das merke der Poppele nicht.
Aber weit gefehlt! Als nämlich der Mann, das rußende Kerzenlicht in der Hand, die Kellertreppe hinuntergestiegen war und den Fasshahn aufdrehen wollte, stand plötzlich der Poppele vor ihm und gab ihm eine solche Ohrfeige, dass der Krug zu Boden fiel und die Kerze erlosch. Dabei kam es aus dem Dunkel mit Grabesstimme: „Nicht für dich, du Säufer und Verschwender, war dieser Wein gemünzt, sondern für deine arme Frau. Nun wird auch sie wieder dürsten müssen!"
Als der Mann zitternd seiner Frau gestand, was er erlebt hatte, stiegen beide nochmals in den Keller hinunter, aber wie sehr sie auch an dem Fasshahn drehten und das Fässlein sattelten, es gab fortan keinen Tropfen mehr her.
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